Helfer entsetzt

Rücksichtslose Gaffer nach Unfall in Alfhausen

ms Alfhausen/Bippen. Eigentlich war alles so, wie es sein sollte. Die junge Fahrerin hatte den schweren Verkehrsunfall fast unverletzt überlebt, Helfer kümmerten sich aufopferungsvoll um sie. Doch dann lief die Situation aus dem Ruder. Jan Heinrich Tepe aus Vechtel, der eigentlich nur helfen wollte, war entsetzt.

Tepe kommt aus Vechtel und macht gerade eine Ausbildung zum Augenoptiker. Zweimal die Woche fährt er dazu in die Berufsbildenden Schulen an der Brinkstraße in Osnabrück. In Ankum und Alfhausen steigen zwei Mitschülerinnen zu.

An jenem Freitag hatte er gerade eine Mitschülerin auf dem Rückweg in Alfhausen abgesetzt. Sein silbergrauer Passat rollt auf der Landesstraße den Lokenberg hinauf in Richtung Ankum. Jenseits der Hügelkuppe sieht er mitten auf der geraden abschüssigen Strecke die zusammengedrückten Reste eines Citroën-Kleinwagens, mit dem eine 19-Jährige kurz zuvor einen Straßenbaum gestreift hatte und dann gegen einen zweiten Baum geprallt war. Vor der Unfallstelle bildete sich bereits eine Autoschlange. Freiwillige halfen der jungen Frau aus dem Wrack und brachten sie auf den Radweg neben der Straße in Sicherheit.

Auf solche Situationen hat sich Jan Heinrich Tepe gründlich vorbereitet. Die Warnweste liegt griffbereit in der Ablage der Fahrertür. Während seine Beifahrerin im Wagen bleibt, streift er die Weste über und geht die knapp 200 Meter zur Unfallstelle vor.

Aus dem Wrack dringt leichter Qualm. Also kehrt Tepe zurück, um vorsichtshalber seinen Feuerlöscher zu holen. Seinen gut ausgestatteten Verbandskasten bringt er auch mit und eine Decke, um die Verletzte, die auf dem Boden liegt, vor Unterkühlung zu schützen.

Dann kippt die Situation. Die Autofahrer werden ungeduldig. „Die ersten drehten um und fuhren zurück nach Alfhausen“, erinnert sich der 24-Jährige. Andere bahnen sich den Weg am Wrack vorbei durch die Trümmer. Glassplitter knirschen unter den Reifen. Sie weichen auf den morastigen, im Regen völlig aufgeweichten Seitenraum aus. Beim Überrollen richtet sich ein Trümmerstück immer wieder auf und droht sich in die Fahrzeugböden zu bohren.

Im Vorbeirollen werden aus einem weißen Transporter Handys herausgestreckt. Die Insassen fotografieren Unfall und Verletzte. Kein Blaulichtreporter würde so vorgehen. Die Feuerwehrfotografen des Bersenbrücker Kreisblatts und ihre Kollegen von Nordwestmedia achten darauf, dass ihre Bilder Unfallsituation zeigen, aber nicht die Betroffenen. Das würde deren private Sphäre verletzen.

Jan Heinrich Tepe ist ein sehr ruhiger Mensch. Einer, der unter Stress die Nerven bewahrt und das tut, was notwendig ist. Seit seinem 15. Lebensjahr macht er mit in der Freiwilligen Feuerwehr Vechtel. Das ist offensichtlich Familien- und Ehrensache bei den Tepes. Sein Vater Rolf führt als Ortsbrandmeister die Feuerwehr Vechtel an. Bevor er hierherkam, war er schon in Ohrte aktiv. Jan Heinrichs jüngerer Bruder Karsten ist seit zwei Jahren ebenfalls dabei. Und Mutter Karin macht auch mit, sie stieg aus Solidarität ein, als zum ersten Mal eine Frau der Vechteler Feuerwehr beitrat.

Seine Feuerwehrkollegen wissen, dass Jan Heinrich Tepe empfindlich auf Gaffer reagiert. Er kann schon mal laut werden, wenn ein Neugieriger den Einsatzfahrzeugen folgt, sich dazwischendrängelt und stört. Auch jetzt hält ihn bald nichts mehr. Nach dem sechsten oder siebten Fahrzeug springt er auf die Straße und stoppt eine Mercedes A-Klasse. Lautstark legt er sich mit der Fahrerin an, einer Frau mittleren Alters. Die reagiert mit einem Blick, der Tepe kalt und unmenschlich vorkommt. „Wenn ich an diesen Blick denke, dann läuft es mir noch heute kalt den Rücken runter“, sagt er. Langsam setzt die Frau ihr Fahrzeug zurück und verschwindet in Richtung Alfhausen. Schließlich erscheint die Polizei und übernimmt die Regie. Sie ruft die Feuerwehr Ankum zu Hilfe, die sich um ausgelaufenes Öl und Benzin kümmern muss, das in großen Lachen die Fahrbahn bedeckt.

Absurderweise hätte es nur wenige Hundert Meter Umweg gebraucht, um die Unfallstelle zu umgehen. Auf dem Lokenberg zweigt etwa 200 Meter vor dem Wrack eine Nebenstraße ab, nicht viel mehr als 200 Meter danach mündet sie wieder auf die Landesstraße. Ortskundige nutzen diese Möglichkeit, Tepe kann die Fahrzeugbewegungen beobachten. Das könnten auch andere, die warten. Doch sie ziehen nicht die richtigen Schlüsse.

Quelle: Bersenbrücker Kreisblatt